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Nepal und Marijuana


Zwanzig Jahre ist das her, als das letzte Mal meine Füße nepalesischen Boden betraten. 20 lange und besonders auch in Nepal bewegte Jahre. Zu jenen Zeiten war das Haschisch offiziell zwar auch schon verboten, aber dennoch allgegen-wärtig. Egal, wo man hinkam, es wurde einem angeboten. In den Bergen wuchs überall wildes Marijuana, eine Paradies also für alle, die das heilige Kraut verehrten. Die üblichen Recherchen vor der Reise ließen allerdings wenig Gutes erhoffen: Da war von hanffeindlichen Maoisten die Rede, von Zerschlagung des Cannabisanbaus, aussterbender Szene und dass die Freaks, so es sie überhaupt noch gibt, längst weitergezogen sind. Kurz gesagt, dass in Nepal nicht mehr viel geht. Aussagen, die es zu überprüfen galt. KATHMANDU — Den Zwerg im blauen Trai-ningsanzug kenn' ich doch. Der stand doch schon vor 20 Jahren auf der Freak Street ... Er schaut mich kurz an und kennt mich offenbar auch noch ... Jedenfalls scheint er mir mein Ansinnen, so schnell wie möglich was zum Rauchen aufzutreiben, anzusehen: „Pssst ... You smoke?" Ich nicke erleichtert und mein kleiner Straßendealer deutet mir, ihm zu fol-gen, was ich so unauffällig tue, dass jeder sehen kann, wie ein Tourist einem stadtbe-kannten Haschhändler im blauen Adidasge-wande hinterher schleicht. Es geht durch ein paar dunkle Seitengassen, er immer fünf Meter vor mir und an jeder Ecke wartend, dass er mich auch ja nicht verliert. Unnötigerweise, möchte ich anmerken. Nach ein paar Minuten kreuz und quer landen wir auf einem mit üppigem Unkraut überwucherten und von Müll berstenden Gelände, wo bis zum letzten Erdbeben ein Haus stand und wo sicherlich bald ein Hotel entstehen wird (beste Lage, mitten in Patan, einem der großen Touristenviertel Kathmandus). Welch Idylle ... Zwei Köter kläffen mich frech an, schleichen sich aber davon, nachdem ich zurück kläffe, eine Hühnerfamilie pickt eifrig im Abfall herum und mittendrin in all dem Jammer steht eine Hütte, die man auch als »windschiefer stümperhaft zusammengebauter Bretterverschlag« bezeichnen könnte. Mein kleiner Sportler klopft vorsichtig an die Türe. Ganz vorsichtig. Auch er sieht, dass man auf dieses Gebäude nicht so kräftig draufschlagen sollte, dann ruft er irgend etwas, wahrscheinlich einen Namen. Eine dicke, ältere Frau in schönem orangefarbigen Kleid erscheint, guckt recht garstig und gewährt uns Einlass in das dunkelste und schäbigste Loch, in das ich jemals eingetreten bin. Es gibt keinerlei Fenster oder Lichtquellen, nur durch Ritzen in den Wänden dringen ein paar Photonen herein und durchkreuzen wie Laserstrahlen die von Räucherstäbchen und Zigarettenqualm geschwängerte Luft. Endlich kann ich den Hausherren erkennen. Zumindest schemenhaft liegt in der Ecke eine Gestalt und hüstelt vor sich hin. „Namaste" grüße ich landestypisch. Was für eine schönes Wort. »Ich grüße den Gott in Dir«, heißt das übersetzt. „Hello", röchelt mein Gottinsichträger kurz und unfreundlich zurück. Es folgt eine kurze Lagebesprechung mit meinem Schlepper, dann reicht man mir ein daumengroßes Stück Haschisch gefolgt von den branchenüblichen Sprüchen: „One Tola, best quality, handmade ..." Eine Tola sind elf Gramm, ok, das müsste bei einem daumen-großen Piece etwa hinkommen. Das Material ist zwar weich wie

Knetmasse, aber riecht nur schwach nach Moder und niemals so, wie meiner Meinung nach echter Nepali riechen sollte. Wer ihn jemals geraucht hat, weiß was ich meine ... Dieses typische Himalaya-Aroma ... Ich nehme natürlich sofort eine Warenprobe zu mir und sehe mein erstes Urteil bestätigt: Wahrlich nichts Besonders. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und wir treten in die Verkaufsverhandlungen ein. wo Dollar wollen sie haben, 20 bin ich bereit zu geben. Wir einigen uns auf 3000 Rupien, was exakt 3o Euro entspricht, womit das Thema »Wech-selkurse« hiermit auch abgehandelt wäre. Ich zahle, grüße den Wucher-Gott in meinen Freunden und verlasse diesen nicht wirklich gemütlichen Platz. So sieht das »Eden Ha-schisch-Center« also im Jahre 2011 aus. cannabis cup Scheiße, ganz schön abgezockt worden. Leicht angesäuert beschließe ich, bei dem gleich folgenden Joint im Hotelzimmer eben ein bisschen mehr reinzutun ... schließlich sind wir im Urlaub. Da schlägt plötzlich mein eigener Gott zu, sprich mir haut's die Birne weg, wie schon lange nicht mehr. Ich rette mich in die nächst verfügbare Teestube und sediere bei einer Flasche Bier der Marke »Everest« eine Stunde vor mich hin, ein Jung-Hippie-Pärchen beobachtend, das nicht minder zugedröhnt versucht, Postkarten an die Lieben daheim zu schreiben. Ich muss schmunzeln und freue mich, dass es auch im Kathmandu des Jahres 2o11 so was noch gibt. Endlich geht's wieder einigermaßen. Ich zahl, steh auf und verlasse Teestube plus Hippies, als mich — kaum einen Schritt hinaus getan — ein Rikscha-Fahrer beinahe über den Haufen fährt. „Sorry, sorry ...", jammert er unterwürfig, dann schaut er mich kurz prüfend an: „You smoke ...?" Nun, ja. Was soll ich sagen? Und schon sitze ich drin, im Fahrrad-Taxi und mein Schlepper strampelt los. Die Rikscha scheint jeden Augenblick auseinanderzubrechen und mein Chauffeur, der sich mit »Kris« vorstellt und ein freundlicher Kerl ist, kommt kaum von der Stelle. Das grobe Kopfsteinpflaster und meine 85 Kilogramm Lebendgewicht tun ihr Übriges. Aber immerhin Kopfsteinpflaster. Früher bestand der Straßenbelag in der Freak Street eher — je nach Wetterlage — aus festgetretener Scheiße oder knöcheltiefem Morast. Daher auch der Spitzname »Pig Alley«.

Nach zehn Minuten Rikscha-Fahrt (zu Fuß hätte die Strecke wohl keine 5 Minuten gedauert) betreten wir eine einheimische Kneipe, in der der zuständige Dealer teetrinkend und Marlboro rauchend an einem Tisch sitzt. Sonnebrille, teure West-Klamotten, fette Ringe an seinen fetten Fingern. Im Gegensatz zu dem vorher der Prototyp eines Pushers, der es mit seinem Geschäft offenbar zu Wohlstand gebracht hat, oder es wenigstens glänzend versteht, den Anschein zu erwecken. Auch seinen Gott grüße ich mit „Namaste. Er nickt kurz und leiert mir sein Drogenangebot herunter: „Charras, Pollen ...", und nach einer kurzen Pause: „hero ... brown sugar ..." Aha, das ist ein anderes Kaliber. Ich hätte am liebsten einfach Gras, also »ganja«, aber da muss er nun passen. Zu geringe Gewinnspanne, nehm ich mal an. Nun, es folgt Warenprobe Nr. 2. Sein „charras" ist mehr oder weniger das gleiche Material, welches ich beim Kollegen auf dem Müllhaufen erworben habe, Opiate interes-sieren mich nicht, bleibt eben der „Pollen" übrig. Auch der soll 100 Dollar für eine Tola kosten ... Die wissen schon ganz genau, wie die Preise in der westlichen Welt sind und in dieser Höhe etwa liegt halt der erste Preis, den man nennt. Obwohl richtig guter nepalesischer Stoff in Holland unter 15 Euro, also 20 Dollar, pro Gramm nicht zu haben ist. Der Pollen sieht genauso aus wie marokkanische Euro-Platte und riecht auch im Großen und Ganzen so. Da weiß man, was man hat (oder auch nicht). Wir einigen uns nach mehr oder weniger zähen Verhandlungen und ohne weiteren Testrauch auf 20 Dollar für eine halbe Tola, also etwa drei Euro pro Gramm. Für hiesige Verhältnisse sicherlich sauteuer, aber weiter ließ sich der Dealer nicht herunterhandeln. Sei's drum, es sei ihm und seinem Schlepper gegönnt. Ich zahle, grüße wieder die Götter in den Herren und gehe endlich in's Hotel, um ungestört die Verköstigung zu starten. Dachterrasse »Hotel Nepalaya«. Bob-MarleyFahne mit Ganja-Blatt über'm Tresen, eine nicht genauer bestimmbare Anzahl an Hotel-Bediensteten trällern »No Woman No Cry« und freuen sich sichtlich über das Erscheinen meinerseits. Ein einstimmiges „Namaste schallt mir entgegen und obwohl ich versuche, meinen Joint einigermaßen unauffällig zu rauchen, sind sofort alle dabei, was von dem 3-Blatt-Charras-Pollen-Monster abzukriegen. Aber gerne doch. So gewinnt man Freunde und schließt die nächsten Connections. Denn Hasch raucht von denen keiner, die rauchen Gras. Aber nicht, weil sie es lieber hätten, es ist einfach viel billiger. Gleich bin ich eingedeckt und nach der ersten Degustation ist mir klar, dass ich keinen Shit mehr kaufen werde. Aber bei mir sind's keine Kostengründe, sondern mei-ne Vorliebe für gutes, natürlich gewachsenes Ganja. Bingo. Mein erster Nachmittag hat bereits alle eingangs erwähnten Bedenken zerstreut: In Nepal geht noch immer was ...

hanf verbot Genug fachgesimpelt, krasser Themenwechsel: Wisst ihr eigentlich, dass Nepal inzwischen eine »Bundesrepublik« geworden ist? Und wie sich das alt eingesessene Königshaus dort im wahrsten Sinne des Wortes von selbst erledigt hat? Und dass auch dabei Drogen eine gewisse Rolle spielten? Eine Geschichte, die Hollywood hätte nicht besser inszenieren können. Das Massaker von Kathmandu — Ein Kronprinz hat die Schnauze voll Wir schreiben den i. Juni 2001. Familientreffen der Shah-Dynastie, die im 18. Jahrhundert den Staat Nepal gründete und deren jeweiliges Oberhaupt, sprich der König, als Reinkarnation des Gottes Vishnu vom Volk verehrt wird. Man sitzt im Billardsalon des Königspalasts von Kathmandu, diniert und bespricht das ein oder andere Thema, insbesondere aber die Liebschaft des Kronprinzen Dipendra mit einer gewissen Devyani Rena, seiner attraktiven aber leider nicht ganz stan-desgemäßen Geliebten, die er zu ehelichen wünscht. Des Kronprinzen Mutter, Königin Aishwara, ist gegen eine Liebesheirat mit dieser Schwiegertochter und widersetzt sich den Wünschen des Sohnes. Heiraten aus Liebesgründen, das gab es in einem vom Kastenwesen geprägten Nepal im Grunde nicht und darf es daher im Königshaus schon gar nicht geben. Und was die Eltern sagen, ist Gesetz. Der klassische Konflikt und leider schlechte Karten für den Kronprinzen, der seinen Kummer regelmäßig in Whiskey ertränkte und mit Haschisch betäubte. So auch vor diesem Meeting im Billardzimmer und nach Zeugenaussagen auch in kräftigen Mengen. Außerdem soll dem Haschisch an jenem Tage eine »schwarze Substanz« beigefügt gewesen sein, Opium wahrscheinlich. Die Königsfamilie hatte offenbar gute Connections ... Nun denn, vollgedröhnt von diesem pikanten Drogencocktail kommt es im Salon wieder zu den üblichen Streitereien und irgendwann hat der Gott im Königssohn die Faxen einfach dicke. Dipendra verlässt wortlos den Raum und kehrt fünf Minuten später wieder zurück. In militärischer Tarnuniform und mit einer durchgeladenen Kalaschnikow im Anschlag. Und dann geht alles ganz schnell. Mit der ersten Salve bringt er seinen Vater, Gottkönig Birendra zur Strecke, dann exekutiert er fünf weitere nahe Familienmitglieder. Allesamt wohl der Meinung der Mutter Königin Aishwara. Diese kann zwar noch in den Garten des Narayanhi-Palastes fliehen, ehe auch sie dort von ihrem offenbar etwas aufgebrachten Sohn niedergestreckt wird. Dann schießt sich Dipendra ins eigene Ohr und erliegt nach zwei Tagen Herz-LungenMaschine seinen Verletzungen. Die Nepalesen empfinden noch heute tiefe Scham, Schmerz und Wut wegen dieses Vorfalls. Ein schlimmeres Sakrileg konnte es nicht geben. In einer Kultur, in der Eltern größter Respekt entgegengebracht wird und wo Mordfälle generell sehr selten sind, wird der wiedergeborene Gott Vishnu durch die Hand des eigenen Sohnes getötet. Im Grunde übersteigt so ein Verbrechen schlichtweg die Vorstellungskraft eines Nepalesen, sprengt alle bisher allgemein akzeptierten gesellschaftlichen, sozialen, religiösen und moralische Normen. Das kann sich unsereiner gar nicht recht vorstellen und führte dazu, dass das Ansehen der Monarchie in Nepal unwie-derbringlich zerstört wurde. In der Thronfolge waren nun der allgemein unbeliebte Onkel Dipendra und dessen Sohn, der im Volk verhasste Paras, dran. Die beiden waren die einzigen aus dem näheren Familienkreise, die merkwürdigerweise beim Massaker nicht anwesend waren, was prompt wilde Spekulationen und Verschwörungstheorien im Lande schürte. Am Tage der Thronbesteigung Dipendras kam es dann zu landesweiten Protesten und öffentlichen Unruhen, die in einem von sogenannten »Maoisten« angezettelten Bürgerkrieg mündeten und schließlich zur Abschaffung der Monarchie (2007) und Gründung der »Demokratischen Bundesrepublik Nepal« führten. Derzeit regiert eine große Koalition aus Maoisten und anderen Parteien. Und so sind heute in Nepal moderne Zeiten angebrochen. Die Jugend hat sich aufgeklärt, parliert in Englisch und steht auf Lady Gaga. Infrastrukturprojekte werden in Angriff genommen, Bergdörfer mit Pisten an die Außenwelt angebunden und kommunale Wasserkraftwerke gebaut, damit auch der letzte ehemalige Hanfbauer sein Handy aufladen kann. Und auch die Touristen kommen wieder. Den Nostalgiker in mir graut es zwar ein wenig beim Gedanken, dass auf jedem Berg bald ein Funkturm steht, man mit dem Jeep inzwischen den Annapurna umrunden kann und dass überall, wo Autos hinkommen, der Hanf radikal vernichtet und stattdessen, wenn möglich, Nahrungsmittel angebaut werden. Aber Hand auf's Herz: Essen ist wichtiger und noch gibt's offenbar genügend Ecken, wo keine Jeeps hinkommen.


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